Dienstag, 24. Juli 2012

Liebesbrief eines Narzissten eingebettet in ein Malheur mit der Espressokanne meiner Mitbewohnerin

Störung 8. Das ist alles, was meine super-duper vollautomatische Kaffeemaschine anzeigt. Es ist Samstag und ich bin wie immer früh aufgestanden, so gegen 11, halb 12, um einiges erledigt zu bekommen. Doch bevor ich zu irgendwas in der Lage bin, brauche ich Kaffee. Google rät mir, ich solle die Brüheinheit ausbauen und diese reinigen und einfetten. Dafür muss bei der Marke Jura allerdings die ganze Maschine auseinandergebaut werden. Ich brauche fast den ganzen Tag und den Großteil meiner Nerven, bis ich das Ding komplett ausgebaut habe. Fast komplett. Bei der letzten Schraube, die, die so ganz versteckt lag und an die von keiner Seite ein Herankommen ist, versagt der Schraubenkopf. Die Schraube ist im Arsch und in der Maschine und ich komme nicht ran. Die ganze Arbeit umsonst. Ich könnt‘ ausrasten. Aber vorher brauche ich einen Kaffee und benutze dafür aus der Not heraus die Espressokanne meiner Mitbewohnerin Sarah. Die Not dauert mittlerweile schon über zwei Wochen und ich habe mich damit arrangiert.
 

Nur am Freitag werde ich während des von mir beaufsichtigten Kaffeekochens angerufen und so sehr abgelenkt, dass ich den Kaffee auf der Herdplatte vergesse. (Dass mich jemand angerufen hat, ist eine Lüge. Aber es klingt nicht so dämlich und unreif, als wenn ich schreibe, ich hätte am Computer gezockt und darüber die Zeit vergessen. Außerdem ist mir die Wahrheit peinlich und von daher geht diese klitzekleine Flunkerei als Notlüge auch auf moralischer Ebene durch.) Nachdem ich das Telefongespräch beende, fällt mir der Kaffee auf der Herdplatte wieder ein. Ich drehe mich so schwungvoll wie elegant um – ein wenig zu weit, ich muss nachjustieren -, um in die Küche zu rennen. Im Flur breitet sich bereits der typische Londoner Novembernebel aus, dazu der Geruch von Napalm am Morgen. Doch es riecht nicht nach Sieg, sondern nach Blödheit. In der Küche angekommen, intensiviert sich der Londoner Nebel wie auch der Napalmgeruch. Auf dem Herd steht wie ein Häufchen Elend, allein und vergessen, die Espressokanne für drei Tassen. Der Henkel liegt abgeschmolzen auf der Platte und verteilt sich im Raum. Der Knauf vom Deckel ist so geschockt vom Tode des Henkels, dass er sich auf dem Deckel hinsetzen musste. Die Espressokanne dampft und tobt und kocht. Sie ist offensichtlich wütend. Ich rede ihr gut zu und versuche sie zu beschwichtigen, doch wie immer bei weiblichen Wesen in Rage ist das vergebens. Geistesgegenwärtig werde ich hektisch, doch mit der Hilfe eines Küchenhandtuches kann ich die Kanne dazu bewegen, die heiße Herdplatte zu verlassen und im Waschbecken eine kalte Dusche zu nehmen. Die Müllbestattung führe ich formlos durch.
 

Im Laufe des Tages beschaffe ich Ersatz. Das Malheur ist meiner Mitbewohnerin noch gar nicht aufgefallen und dabei soll es auch bleiben. Wenn eine tote Katze heimlich ersetzt wird, muss mit Lack oder Wandfarbe für die angemessene Fellfarbe gesorgt werden, damit der Austausch nicht bemerkt wird. Nach diesem Prinzip versuchte ich für Gebrauchsspuren zu sorgen. Bis um 19 Uhr habe ich elf volle Kannen an Kaffee getrunken. Das reicht, wenn auch nicht für die Gebrauchsspuren, so doch für mich.
Gegen drei Uhr nachts klopft meine Mitbewohnerin Laura an meine Türe und fragte mich, ob ich nicht aufhören könne, mit der Schreibmaschine zu tippen. Sie müsse morgen früh aufstehen und mit dem Geklappere könne sie nicht schlafen. Na gut, wenn‘s denn sein muss. Ich lege mich ins Bett; ohne schlafen zu können, wälze ich mich im Bett hin und her. Ich bekomme den Eindruck, als hätte ich zu viel Kaffee getrunken, verwerfe den Gedanken aber so gleich als lächerlich. Plötzlich stand SIE im Raum, zog sich aus und kuschelte sich unter meine Decke: Die Frage, wie wohl ein selbstverliebter, narzisstischer Drecksack einen Liebesbrief schreiben würde. Das kam dabei raus:




Liebe Luisa,
wahrscheinlich bin Ich dir schon vor längerer Zeit aufgefallen. Kein Wunder, Ich sehe ja auch geil aus. Bestimmt wolltest du Mich ansprechen, hast dich dann aber nicht getraut, weil du dir in Meiner Nähe zu Recht minderwertig vorkamst. Du hast dich bestimmt gefragt, was so ein geiler Typ wie Ich mit so einem kleinen Licht wie dir denn wolle. Lass dir sagen, diese Reaktion ist ganz normal und passiert den meisten Menschen.
Du bist Mir aufgefallen und Ich denke: Du hast Potential. Im Vergleich zu Mir kommst du wenigstens als passabel weg, was auf der absoluten Skala immer noch sehr weit vorne ist. Mit nur ein wenig Feintuning an deinem Körper und an deinem Verhalten könntest du die Frau an Meiner Seite werden. Zu Beginn solltest du mehr Sport machen und abends auf Kohlenhydrate verzichten, wenn nicht auf das Essen an sich. Es sei denn, wir sind bei Meinen Freunden eingeladen. Bevor Ich dich aber dahin mitnehmen kann, müsstest du noch einen Kniggekurs besuchen. Einen Deutschkurs auch. Mir ist aufgefallen, dass du nicht weißt, dass „einzig“ nicht steigerbar ist. Wenn du sagen würdest, Ich sei der schönste Mann auf der Welt, dann ist das grammatisch wie inhaltlich korrekt. Wenn du aber sagst, Ich wäre der einzigste Mann für dich auf der Welt, dann ist das selbst in Meinem Falle sprachlich nicht in Ordnung – wenn auch inhaltlich nachvollziehbar.
 

Auch heißt es nicht: „Ich bin schöner wie Du.“ Das ist falsch. Richtig würde es aus deiner Sicht heißen: „Du bist schöner als ich.“ Das als bezeichnet hier die Ungleichheit, hier die zwischen uns. Der Estrich wird auch nicht wie E-Strich ausgesprochen, also wie ein verkappter Elektro-Strich – oder was auch immer du dir darunter vorstellst. Es heißt Est-rich. An deiner Stelle wär Mir das peinlich und wenn du künftig an Meiner Seite deine Freundinnen beeindrucken willst, solltest du richtig sprechen können. Ich habe bei einem alten Freund schon einen Kurs für dich gebucht. Das ist so ein ehemaliger Langzeitstudent, der mit Deutsch und Geschichte nicht nur die falschen Fächer studiert, sondern auch noch die Einstellungswelle für Lehrer verpasst hat. So ein Idiot. Jetzt schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch, damit der nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegt – und mit Allgemeinheit meine Ich vor allem Mich und Meine richtigen Freunde, was nicht heißt, dass Wir alle gemein sind. Haha, welch ein Wortwitz. Manchmal muss Ich doch einfach selbst über Mich schmunzeln. Wär Ich nicht so reich, wär ich vielleicht Kabarettist oder Callboy geworden.
 

Zurück zum Thema: Lerne bitte deutsch. Und Französisch. Also auch die Sprache. Haha. Schon wieder ein Wortwitz. Ich habe wohl einen Schelm gefrühstückt. Haha. Wenn du eine gute Freundin sein willst, mit der Ich Mich nicht vor meinen Freunden blamiere, arbeite an dir. Ziehe eine Brustvergrößerung in Betracht. Du musst das natürlich nicht machen und ich würde dich nie unter Druck setzen, aber dann wärst du aus dem Rennen. Das wäre die logische Konsequenz. Deine zwei Nebenbuhlerinnen wären zu solch kleinen und großen Veränderungen bereit. Das solltest du wissen, falls du in Betracht ziehst abzulehnen. Für die Kosten käme Ich natürlich auf.
 

Ich bin ein sehr genügsamer Mensch, der einfach zufriedenzustellen ist. Ich habe nur ein paar Regeln, an die du dich halten solltest:
Widersprich mir nicht in der Öffentlichkeit. Und nicht Zuhause. Nein, wenn Ich drüber nachdenke: Widersprich Mir gar nicht. Rede auch nur, wenn du was zu sagen hast. Im Zweifelsfalle bleib lieber ruhig.
Eine Partnerin brauche ich nur für die schönen Dinge des Lebens. Wenn Ich mit jemandem reden will, fahre Ich zu meinen Freunden. Wenn du mit jemandem reden willst: Kauf dir einen Hund oder besuch Freundinnen, falls du welche hast.
Bleib wie du bist, nur eben anders als jetzt. Besser. Du kannst Mir fast das Wasser reichen, wenn du dich auf deine Zehenspitzen stellst und dich streckst. Achte drauf, dass du dir deine Natürlichkeit erhältst.
 

Bevor ich mich für eine Frau entscheiden kann, muss ich natürlich mal Probe liegen: Ich will, dass du Spitzenunterwäsche anziehst. Nicht die billige von H&M. Ich will Fleisch und was scharfes. Ich will nichts essen. Ich will, dass du dich rasierst und das nicht nur an den Beinen. Ich will, dass du eine Darmspülung machst. Ich komme am Mittwoch. Ich komme um 19 Uhr. Ich bin pünktlich. Ich klingle kein zweites Mal.
Solltest du aus unverständlichen Gründen unsicher sein: Anbei liegt Mein letzter Kontoauszug. Und je ein Bild von meinem erigierten Penis – von oben und im Profil. Der war teuer, das kann Ich dir sagen.


Wär' Ich du, könnt Ich‘s kaum erwarten mich zu sehen.
Jens








Ich habe Sarah das Malheur übrigens gestanden. Sie hat es auch recht schnell eingesehen, dass ich nichts dafür konnte, dass ich so überraschend angerufen und damit abgelenkt wurde. Was denken sich eigentlich die Leute, die einen einfach so anrufen, wenn doch eigentlich grade der Kaffee auf der Herdplatte die ganze Aufmerksamkeit erfordert? 8,99 Euro hat der Spaß gekostet. Und eine gesunde Portion Schlaf. Diese Penner. Das passiert mir bestimmt nie wieder. Was mich zur entscheidenden Frage bringt: Kann mir jemand einen Bohrer ausleihen, am besten mit einem Aufsatz für kaputte Schraubenköpfe? Ich habe da so ein Problem mit Störung 8.