Montag, 22. Oktober 2012

Frankreich 2009 (6): Ein lustiger Besuch im Krankenhaus, 2. Akt.

Was das letzte Mal geschah: Meine Vermieterin/Mitbewohnerin Maria wurde erneut von Olivier, ihrem Freund, angegriffen. Sie nahm sich vor ihn anzuzeigen und ich sollte sie zur Gerichtsmedizin fahren, damit ihre Verletzungen für das Gerichtsverfahren protokolliert werden konnten. Eigentlich keine keine erwähnenswerte Geschichte. Eigentlich...

Donnerstag, 27. September 2012

Frankreich 2009 (3): Meine WG

Welch ein Glück: Ich habe eine Wohnung gefunden! Doch ich merke schnell, daß meine Mitbewohner nicht so sind, wie ich das von früheren WGs gewohnt bin. Irgendwie sind sie strange...

Freitag, 21. September 2012

Frankreich 2009 (2): Die Wohnungssuche

Da hat man den ganzen Sommer nichts zu tun und langweilt sich und dann wirft mich das französische Studentenwerk zwei Tage vor meinem sicher geglaubten Wohnheimszimmer raus. Das hätten sie mir auch mal früher sagen sollen. Die Penner!

Dienstag, 18. September 2012

Frankreich 2009 (1): Der Rausschmiss

Ursprünglich begann ich diesen - erschreckend vernachlässigten - Blog vor über drei Jahren, um Familie und Freunden in Deutschland auf dem Laufenden zu halten, was mir so alles passieren würde. Und um am Telefon und über Skype nicht bei jedem Gespräch das Gleiche erzählen zu müssen. Die Idee an sich war zwar gut, aber ich hätte dann auch ab und an auch mal etwas schreiben müssen. Vor allem, weil ich ab Ende August tatsächlich einiges erlebt habe. Anders, als ich mir das von einem Auslandsjahr vorgestellt habe, aber immerhin. Es juckt mir schon länger in den Fingern, das einfach nachzuholen und jetzt - drei Jahre später - ist es soweit. Alle paar Tage will ich eine Episode aus meiner skurrillen WG aus Rennes veröffentlichen. Ich kann nicht versprechen, dass das auch nur im Ansatz interessant ist, aber ich mach das jetzt auch mehr für mich. Der folgende Text schließt recht nahtlos an zwei ältere Einträge ein.

Dienstag, 24. Juli 2012

Liebesbrief eines Narzissten eingebettet in ein Malheur mit der Espressokanne meiner Mitbewohnerin

Störung 8. Das ist alles, was meine super-duper vollautomatische Kaffeemaschine anzeigt. Es ist Samstag und ich bin wie immer früh aufgestanden, so gegen 11, halb 12, um einiges erledigt zu bekommen. Doch bevor ich zu irgendwas in der Lage bin, brauche ich Kaffee. Google rät mir, ich solle die Brüheinheit ausbauen und diese reinigen und einfetten. Dafür muss bei der Marke Jura allerdings die ganze Maschine auseinandergebaut werden. Ich brauche fast den ganzen Tag und den Großteil meiner Nerven, bis ich das Ding komplett ausgebaut habe. Fast komplett. Bei der letzten Schraube, die, die so ganz versteckt lag und an die von keiner Seite ein Herankommen ist, versagt der Schraubenkopf. Die Schraube ist im Arsch und in der Maschine und ich komme nicht ran. Die ganze Arbeit umsonst. Ich könnt‘ ausrasten. Aber vorher brauche ich einen Kaffee und benutze dafür aus der Not heraus die Espressokanne meiner Mitbewohnerin Sarah. Die Not dauert mittlerweile schon über zwei Wochen und ich habe mich damit arrangiert.
 

Nur am Freitag werde ich während des von mir beaufsichtigten Kaffeekochens angerufen und so sehr abgelenkt, dass ich den Kaffee auf der Herdplatte vergesse. (Dass mich jemand angerufen hat, ist eine Lüge. Aber es klingt nicht so dämlich und unreif, als wenn ich schreibe, ich hätte am Computer gezockt und darüber die Zeit vergessen. Außerdem ist mir die Wahrheit peinlich und von daher geht diese klitzekleine Flunkerei als Notlüge auch auf moralischer Ebene durch.) Nachdem ich das Telefongespräch beende, fällt mir der Kaffee auf der Herdplatte wieder ein. Ich drehe mich so schwungvoll wie elegant um – ein wenig zu weit, ich muss nachjustieren -, um in die Küche zu rennen. Im Flur breitet sich bereits der typische Londoner Novembernebel aus, dazu der Geruch von Napalm am Morgen. Doch es riecht nicht nach Sieg, sondern nach Blödheit. In der Küche angekommen, intensiviert sich der Londoner Nebel wie auch der Napalmgeruch. Auf dem Herd steht wie ein Häufchen Elend, allein und vergessen, die Espressokanne für drei Tassen. Der Henkel liegt abgeschmolzen auf der Platte und verteilt sich im Raum. Der Knauf vom Deckel ist so geschockt vom Tode des Henkels, dass er sich auf dem Deckel hinsetzen musste. Die Espressokanne dampft und tobt und kocht. Sie ist offensichtlich wütend. Ich rede ihr gut zu und versuche sie zu beschwichtigen, doch wie immer bei weiblichen Wesen in Rage ist das vergebens. Geistesgegenwärtig werde ich hektisch, doch mit der Hilfe eines Küchenhandtuches kann ich die Kanne dazu bewegen, die heiße Herdplatte zu verlassen und im Waschbecken eine kalte Dusche zu nehmen. Die Müllbestattung führe ich formlos durch.
 

Im Laufe des Tages beschaffe ich Ersatz. Das Malheur ist meiner Mitbewohnerin noch gar nicht aufgefallen und dabei soll es auch bleiben. Wenn eine tote Katze heimlich ersetzt wird, muss mit Lack oder Wandfarbe für die angemessene Fellfarbe gesorgt werden, damit der Austausch nicht bemerkt wird. Nach diesem Prinzip versuchte ich für Gebrauchsspuren zu sorgen. Bis um 19 Uhr habe ich elf volle Kannen an Kaffee getrunken. Das reicht, wenn auch nicht für die Gebrauchsspuren, so doch für mich.
Gegen drei Uhr nachts klopft meine Mitbewohnerin Laura an meine Türe und fragte mich, ob ich nicht aufhören könne, mit der Schreibmaschine zu tippen. Sie müsse morgen früh aufstehen und mit dem Geklappere könne sie nicht schlafen. Na gut, wenn‘s denn sein muss. Ich lege mich ins Bett; ohne schlafen zu können, wälze ich mich im Bett hin und her. Ich bekomme den Eindruck, als hätte ich zu viel Kaffee getrunken, verwerfe den Gedanken aber so gleich als lächerlich. Plötzlich stand SIE im Raum, zog sich aus und kuschelte sich unter meine Decke: Die Frage, wie wohl ein selbstverliebter, narzisstischer Drecksack einen Liebesbrief schreiben würde. Das kam dabei raus:




Liebe Luisa,
wahrscheinlich bin Ich dir schon vor längerer Zeit aufgefallen. Kein Wunder, Ich sehe ja auch geil aus. Bestimmt wolltest du Mich ansprechen, hast dich dann aber nicht getraut, weil du dir in Meiner Nähe zu Recht minderwertig vorkamst. Du hast dich bestimmt gefragt, was so ein geiler Typ wie Ich mit so einem kleinen Licht wie dir denn wolle. Lass dir sagen, diese Reaktion ist ganz normal und passiert den meisten Menschen.
Du bist Mir aufgefallen und Ich denke: Du hast Potential. Im Vergleich zu Mir kommst du wenigstens als passabel weg, was auf der absoluten Skala immer noch sehr weit vorne ist. Mit nur ein wenig Feintuning an deinem Körper und an deinem Verhalten könntest du die Frau an Meiner Seite werden. Zu Beginn solltest du mehr Sport machen und abends auf Kohlenhydrate verzichten, wenn nicht auf das Essen an sich. Es sei denn, wir sind bei Meinen Freunden eingeladen. Bevor Ich dich aber dahin mitnehmen kann, müsstest du noch einen Kniggekurs besuchen. Einen Deutschkurs auch. Mir ist aufgefallen, dass du nicht weißt, dass „einzig“ nicht steigerbar ist. Wenn du sagen würdest, Ich sei der schönste Mann auf der Welt, dann ist das grammatisch wie inhaltlich korrekt. Wenn du aber sagst, Ich wäre der einzigste Mann für dich auf der Welt, dann ist das selbst in Meinem Falle sprachlich nicht in Ordnung – wenn auch inhaltlich nachvollziehbar.
 

Auch heißt es nicht: „Ich bin schöner wie Du.“ Das ist falsch. Richtig würde es aus deiner Sicht heißen: „Du bist schöner als ich.“ Das als bezeichnet hier die Ungleichheit, hier die zwischen uns. Der Estrich wird auch nicht wie E-Strich ausgesprochen, also wie ein verkappter Elektro-Strich – oder was auch immer du dir darunter vorstellst. Es heißt Est-rich. An deiner Stelle wär Mir das peinlich und wenn du künftig an Meiner Seite deine Freundinnen beeindrucken willst, solltest du richtig sprechen können. Ich habe bei einem alten Freund schon einen Kurs für dich gebucht. Das ist so ein ehemaliger Langzeitstudent, der mit Deutsch und Geschichte nicht nur die falschen Fächer studiert, sondern auch noch die Einstellungswelle für Lehrer verpasst hat. So ein Idiot. Jetzt schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs durch, damit der nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegt – und mit Allgemeinheit meine Ich vor allem Mich und Meine richtigen Freunde, was nicht heißt, dass Wir alle gemein sind. Haha, welch ein Wortwitz. Manchmal muss Ich doch einfach selbst über Mich schmunzeln. Wär Ich nicht so reich, wär ich vielleicht Kabarettist oder Callboy geworden.
 

Zurück zum Thema: Lerne bitte deutsch. Und Französisch. Also auch die Sprache. Haha. Schon wieder ein Wortwitz. Ich habe wohl einen Schelm gefrühstückt. Haha. Wenn du eine gute Freundin sein willst, mit der Ich Mich nicht vor meinen Freunden blamiere, arbeite an dir. Ziehe eine Brustvergrößerung in Betracht. Du musst das natürlich nicht machen und ich würde dich nie unter Druck setzen, aber dann wärst du aus dem Rennen. Das wäre die logische Konsequenz. Deine zwei Nebenbuhlerinnen wären zu solch kleinen und großen Veränderungen bereit. Das solltest du wissen, falls du in Betracht ziehst abzulehnen. Für die Kosten käme Ich natürlich auf.
 

Ich bin ein sehr genügsamer Mensch, der einfach zufriedenzustellen ist. Ich habe nur ein paar Regeln, an die du dich halten solltest:
Widersprich mir nicht in der Öffentlichkeit. Und nicht Zuhause. Nein, wenn Ich drüber nachdenke: Widersprich Mir gar nicht. Rede auch nur, wenn du was zu sagen hast. Im Zweifelsfalle bleib lieber ruhig.
Eine Partnerin brauche ich nur für die schönen Dinge des Lebens. Wenn Ich mit jemandem reden will, fahre Ich zu meinen Freunden. Wenn du mit jemandem reden willst: Kauf dir einen Hund oder besuch Freundinnen, falls du welche hast.
Bleib wie du bist, nur eben anders als jetzt. Besser. Du kannst Mir fast das Wasser reichen, wenn du dich auf deine Zehenspitzen stellst und dich streckst. Achte drauf, dass du dir deine Natürlichkeit erhältst.
 

Bevor ich mich für eine Frau entscheiden kann, muss ich natürlich mal Probe liegen: Ich will, dass du Spitzenunterwäsche anziehst. Nicht die billige von H&M. Ich will Fleisch und was scharfes. Ich will nichts essen. Ich will, dass du dich rasierst und das nicht nur an den Beinen. Ich will, dass du eine Darmspülung machst. Ich komme am Mittwoch. Ich komme um 19 Uhr. Ich bin pünktlich. Ich klingle kein zweites Mal.
Solltest du aus unverständlichen Gründen unsicher sein: Anbei liegt Mein letzter Kontoauszug. Und je ein Bild von meinem erigierten Penis – von oben und im Profil. Der war teuer, das kann Ich dir sagen.


Wär' Ich du, könnt Ich‘s kaum erwarten mich zu sehen.
Jens








Ich habe Sarah das Malheur übrigens gestanden. Sie hat es auch recht schnell eingesehen, dass ich nichts dafür konnte, dass ich so überraschend angerufen und damit abgelenkt wurde. Was denken sich eigentlich die Leute, die einen einfach so anrufen, wenn doch eigentlich grade der Kaffee auf der Herdplatte die ganze Aufmerksamkeit erfordert? 8,99 Euro hat der Spaß gekostet. Und eine gesunde Portion Schlaf. Diese Penner. Das passiert mir bestimmt nie wieder. Was mich zur entscheidenden Frage bringt: Kann mir jemand einen Bohrer ausleihen, am besten mit einem Aufsatz für kaputte Schraubenköpfe? Ich habe da so ein Problem mit Störung 8.

Montag, 18. Juni 2012

Der Halbmarathon-Mann

 Der folgende Text ist in Form eines Bewusstseinsstromes geschrieben. Diese Erzähltechnik zeichnet sich durch ungeformte Gedankenwiedergabe aus. Dies ist meine persönliche Aufarbeitung des Halbmarathons in Freiburg, an dem ich am 1. April teilgenommen habe.


So ‘ne scheiß Idee! ... einatmen ... Wer hat mich ... auf die Idee gebracht ... ausatmen ...  hier mitzulaufen? ... Niemand! ... einatmen ... Wer hat mich überredet? Niemand! ... ausatmen ... Es hätt‘ mich keine Sau vermisst, wenn ich einfach zuhause geblieben wär. – Wann kommt denn endlich Kilometer 10? ... längst überfällig ... ist das anstrengend ... die ganze Zeit aufwärts ... Wo ist Norman? – Ach da ... nicht so schnell! ... bin im Arsch! ... scheiße ... – Ist das eng hier... aus dem Weg, aus dem Weg, hier komm ich ... steh‘ doch nicht so blöd da rum, alte Frau! -  Wie lange ...  noch aufwärts? Ich hab die Schnauze voll! ... sollte ich mit den Taschentüchern die weiße Fahne schwenken oder reicht‘s, wenn ich einfach hier rausgehe? Muss ich mich bei jemandem abmelden? ... –
Die kack Bronchien sind wieder zu ... Asthmaspray ... hoffentlich sieht das keiner ... check! – Kilometer 10! Endlich! Geil! – Scheiße, ist nicht mal die Hälfte ... wie soll ich das bloß schaffen? – Ich kann ... nicht aufhören ... sind jetzt voll weit draußen ... kein Walk of Shame ... bitte nicht ... – Kackidee! Hätte mich nie anmelden sollen! ... einatmen ... ausatmen ... nicht denken ... laufen ... – Ist das eng hier ... wir müssten langsam umkehren ... sind ja gleich schon am Stadion ... nur weiter ... bis Kilometer 11  pack ich’s ... oder ehrenhaft sterben ... Norman? ... Da! ... einatmen ... ausatmen ...
- „Komm, Kafitz, nicht schlappmachen!“
- Das sagst du jetzt! ... ist jetzt einfach zu spät ... ich geh dann mal sterben ... oh! Da vorne biegt die Masse ab ... sie biegt ab! Es ist vorbei! Jetzt geht’s abwärts! Oooooh, wie ist das schöööön, so was hat man lange nicht gese... oh, doch nicht ... es geht immer noch aufwärts ... bitte nicht ... – bis zur Straße schaff ich‘s noch ... und wenn‘s dann nicht abwärts geht, lauf ich Amok ... aber erst morgen und auch dann nur auf nem Lifta-Treppenlift ... zieh, Junge, zieh! ... 50 Meter! ... atmen ... ein oder aus – egal! ......... Yeah! Geschafft! ... ich aber auch ... jetzt geht’s nur noch abwärts ... mit mir aber auch ... oh! Cool! Ne Liveband! ...
„Ich wollte dir nur mal eben sagen ...“
Du-dudu-duududu... 
„... dass du das Größte für mich bist ...“
mmmh-mmmmh... wie witzig ... hier gibt‘s ja Publikum ... und die feuern uns an ... und Norman feuert die Band an ... skurril, aber geil ...
„... und sichergehen und ob du denn dasselbe für mich fühlst ...“
duu-duuuduudu-dududuuuu-finde-das-Lied-cool-kenne-den-Text-aber-nicht-und-liege-selbst-im-Kopf-nicht-im-Takt-dudu-du...
„... für mich fühlst!“
coole Stimmung! ... wär joggen nicht so langweilig, würd's ja fast Bock machen hier mitzulaufen ...
„Wenn man so will, bist du meine...“
Bratwurst! Geil, riecht das gut! ... könnt ich glatt zwei von futtern ... wenn ich jetzt aussteige ... niemand könnte mir Vorwürfe machen ... was kostet denn eine? ... Ach, schade! Hab kein Geld dabei ... dann lauf ich halt weiter... ist das blöd ... jetzt hab ich Hunger ... und Durst ... und so richtig viel Demotivation ...
„Super! Super!“ – „Ihr seid voll toll!“ – „Respekt! Ihr seid klasse!“
haben die Leute eigentlich nichts Besseres zu tun? ... Laufen ist doch schon öde ... anderen beim Laufen zuschauen, kann da nicht besser sein ... aber voll cool ... geht auch gleich leichter ... liegt aber auch an dem Gefälle ............. .................. .................... langweilig ............ ............... .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. .............. ............... blöd.......................... .............. ............... .............. ............. ............... ............... .............. ................ ...................... ich will nicht mehr .............. ............... .............. ............... ............... ................ ................ ...................... .................... ..................... wie lange noch? ................. ................... .................. ................... Hey Norman, ich geh mal sterben ... ich leg mich da hinten einfach unter den Baum, da stört’s bestimmt niemanden.

Hat immer Zeit für seine Fans: Der Halbmarathon-Mann. Links: Marsmensch in Verkleidung einer kleinen Frau in grüner Sportjacke. (Zum Vergrößern Bild anklicken - es lohnt sich.)


„Zieh, Kafitz, zieh!“
Hey, Norman, das Einzige, was ich noch zieh, ist Leine ... ich brech‘ ab ... ich kann nicht mehr ... ich will nicht mehr ................... ................................ ............................ .................... laufen ......... .................. .............................. weiterlaufen .................. ........................will nicht mehr..................... ................. ................ Beine tun weh ......................... ........................ bekomm keine Luft mehr ... vielleicht sollt' ich mal wieder atmen? Soll bekanntlich helfen ........................... ..................... Ich will nach Hause! Oder sonst wohin! Ist mir egal- Hauptsache weg hier! Hauptsache nicht mehr laufen! Ach! Wär ich doch nie geboren worden ............ ich will doch nur, dass das aufhört! ................... ........................ geil! Ne Versorgungsstation! Schon wieder! Geil, geil, geil... aus dem Weg, aus dem Weg, ich will Wasser ... geil! Geil! Geil! ... oh! Da gibt‘s auch Iso-Drinks.... Aus dem Weg! Ich will nen Iso-Drink ... weg da! ... wohin jetzt mit dem Wasserbecher? schnell austrinken... wegschmeißen...geil! Geil! Geil! ... da gibt‘s Müsliriegel... einen, nein, ich will lieber zwei... mmmh, schmeckt irgendwie semi-gut.. geil! Geil! Geil! Da gibt‘s Bananen, geil! Geil! Geil! ... lecker! .... Jetzt noch runterspülen ... weiterlaufen ............................ ...................... mir ist schlecht... habe Seitenstiche... hätte vielleicht nicht so viel essen sollen... Mist! ...ganz blöde Idee... das nächste Mal ess‘ ich weniger...gut, das habe ich schon beim letzten Mal gesagt, aber jetzt halte ich mich dran...wirklich!
Diese Verrückten! Laufen doch tatsächlich einen ganzen Marathon... 42 Komma irgendwas Kilometer...diese ausgezerrten Gesichter... das macht doch keinen Spaß ... im Gegensatz zu mir haben sie aber wahrscheinlich trainiert... und sich gescheit aufgewärmt und gedehnt... unter dem Gesichtspunkt sind sie wohl weniger verrückt wie ich...ich wusste ich hätte mich aufwärmen und dehnen sollen... dann hätte ich jetzt keine Wadenkrämpfe... oder sie nicht schon nach fünfhundert bekommen... und zwei Gläser Rotwein in der Allergiephase am Vorabend zu trinken fällt wohl auch nicht unter ‚optimale Vorbereitung‘ ... vielleicht würde ich dann wenigstens vernünftig Luft bekommen ....................... Schwabentor .......................... ........................ KaJo .................. .................................... ................................ ...................... Bertholdsbrunnen ................. einatmen ............................................ ist es eigentlich möglich, dass mein Körper einfach so stirbt? Aus reiner Unlust zu leben?.... Ich könnt‘s ihm ja grad nicht verdenken ........................ es tut alles so weh.... spüre meine Beine nicht mehr .................................... ........................... ................... ................. ............... ................ .........  gibt es dafür dann einen Darwin Award? – ‚Der Typ war so blöd, bei einem Halbmarathon mitzulaufen, der hat den Preis verdient‘.... Dagegen ist der Palästinenser, der seine eigene Briefbombe aufgemacht hat, weil der Empfänger nicht ermittelt werden konnte, doch ein Witz ........... auf meinem Grabstein steht dann ‚Selbst schuld, Idiot‘....... Mama wär vielleicht ein bisschen traurig, aber...............-- Geil! Geil! Geil! Wieder ne Fressmeile! Gebt mir Wasser! Gebt mir Isodrinks! Gebt mir Bananen! Gebt mir Müsliriegel! Und noch einen Isodrink! .............. das hab ich gebraucht .................. mir ist schlecht ......... habe Seitenstiche ................... vielleicht – aber nur vielleicht – hätte ich nicht so viel fressen sollen ........ das nächste Mal halte ich den Ball flacher ... ganz bestimmt! .............. Martinstor olé ............... ...........  ........................ Bertholdsbrunnen ................ oh! Ne Fotografin ....... ......... versuch zu lächeln! ... schade, hat nicht geklappt... die alte Unibib ... nur noch einen halben Kilometer ... dann kann ich einfach nach Hause gehen ... hinter der blauen Brücke muss ich einfach nur nach links abbiegen und dann hätt‘ die ganze Quälerei ein Ende ... irgendwie muss ich aber noch Normann überlisten.
„Hey Norman, hast du Lust auf ne Kartoffelsuppe? Hätte da noch was über von gestern. Die ist voll lecker!“
„Klar, nach dem Lauf können wir gerne was bei dir futtern.“
„Wir kommen gleich eh bei mir vorbei. Da können wir ja einen kurzen Abstecher machen.“
„Gute Idee. Aber nein, danke. Du machst doch jetzt nicht schlapp, oder?“
Ja! Und wie!
„Natürlich nicht.“
„Dann ist ja gut. Nur noch zwei Kilometer, dann haben wir es geschafft.“
Nur zwei Kilometer?! Bist du denn wahnsinnig? Wie kann man denn da von „nur“ sprechen? Das werden elend lange zwei Kilometer. Das ist so, als würde man sagen: ‚Nur noch zwei Minuten auf der heißen Kochplatte tanzen. Nur noch zwei Minuten.‘
„Alles klar. Wird ein Kinderspiel.“
Wird es natürlich nicht ... ich will nicht mehr ... ich könnt einfach hier links abbiegen... scheiß auf die Schande! Wer weiß denn schon, dass ich hier mitgelaufen bin? Die Leute meide ich einfach in Zukunft und dann ist gut ... Norman, Yasin und Till ... wenn ich so drüber nachdenke ... so dicke sind wir ja eigentlich nicht ... Sarah ... gut, ist meine Mitbewohnerin ... ich könnte ja die Bude abfackeln, wenn niemand da ist ... dann wär das nur natürlich, wenn sich jeder ne neue Wohnung suchen müsste ... Katrin, Marc, Chris, Anna, Govinda, Suse, Dave, Nadine ...  na gut, zieh ich aus Freiburg halt weg ... schon schade eigentlich ... aber was soll man da auch machen? Nach Hause kann ich auch nicht ... hätte ich das Maul mal nicht so weit aufgerissen ... zieh ich halt nach Afrika in den Busch, wo mich niemand findet ... na gut, ist jetzt vielleicht doch ein bisschen zu hart ... so ein bisschen Zivilisation kann ich mir schon gönnen ... am besten in ein Land, wo Marathonläufe verboten sind ... zum Schutz der Menschenwürde ... Nordkorea oder der Iran sind da bestimmt vernünftig ... ich muss jetzt nur kurz links abbiegen, und dann ist die Quälerei vorbei ... JETZT! ... bieg ab! ... irgendwie klappt das nicht... bin ich halt ein scheiß Mitläufer ... haha! Welch ein Wortwitz...beim Halbmarathon ... ein Mitläufer ... verstehste?.... -- Ich glaub, mein Verstand setzt langsam aus ... lauf einfach weiter ... nicht denken ....................................... wenn einer meine Gedanken lesen könnte – oh Gott! Wär das peinlich! ... Wenn ich das hier überlebe, darf ich niemandem erzählen, wie schwierig das war ... sonst lachen mich noch aus ............... ..................... ................................... .................................... .......................... ........................ oh! Da sind ja Govinda, Dave und Katy...ach ne, das ist Marc .... hinlaufen ... abklatschen, abklatschen, abklatschen, weiterlaufen ... naja, richtig anfeuern sieht schon anders aus ... wo ist Norman jetzt schon wieder hin? .... wahrscheinlich hält der noch ein Schwätzchen ... der ist doch verrückt...
„Los, Stefan, zieh! Nur noch ein Kilometer! Du schaffst das!“
Wer war das? Kenn ich die? Ich kenn die nicht ... hatte ich mit der mal ein Seminar zusammen? Die Leute vergesse ich eh viel zu oft ... woher kennt die meinen Namen? ... ach! Der steht da unter meiner Nummer ... voll cool, dass die einen so anfeuern ... ich hätt das nie gemacht ...voll nett, die Leute ... da ist noch ein Fressstand... geil!...- nein! .... ich lass mir die Zeit jetzt nicht kurz vorm Ende durch so ne Fressaktion versauen... jetzt nicht mehr!...........ab durch die Mitte ................. ................. .................. ..................... ..................... ..................... ..................... ....................... ........................ ............................... ........................... ............................ puh! ................... Da hinten scheint das Ziel zu sein...so ein großer, blauer, aufgeblasener Rothaustorbogen ...  endlich ... jetzt nochmal einen Endspurt...zieh! Zieh! Zieh!... ach ne, das ist zu anstrengend... ich versuch einfach nur durchzukommen... warum laufen die denn nach dem Ziel alle weiter? Warum stehen da keine Menschenmassen? Verfluchte, verkackte Drecksscheiße!!! Das ist gar nicht das Ziel! Weicher Idiot stellt denn dann so ein Tor auf? Rothaus! Nie wieder trink ich dieses Drecksbier! Wollen mich wohl verarschen! Scheiße! Kacke! Ich will nicht mehr laufen! Ich hasse es! ... na gut, ich hab keine Wahl... also weiter laufen... atmen nicht vergessen... wie lange noch? ................. .................. ...................... .......................... .................... .............. .............. ........................... ............... ......... oh Mann ........... ......................... .................... ........................ ........................ .................... .................. meine Beine tun so weh ... noch ne Kurve... Da isses! Da isses! Da ist das Ziel!!! Sauber! Keine Scherz, es ist wirklich das Ziel. Da stehen zu viele Menschen...
„Wir erwarten in wenigen Augenblicken den Führenden des Marathonlaufes.“
Was? Der erste Marathonläufer gleich im Ziel? Vor mir? - Auf keinen Fall! ... komm, Norman, Endspurt! ... noch einmal sprinten, lieber Freund, noch einmal ... er hört mich nicht ... wahrscheinlich kann er doch nicht meine Gedanken lesen- ... aus dem Weg! aus dem Weg!... oh! ne Fotografin ...schön lächeln!... ich wusste doch, dass es eine blöde Idee war, mir kein Gel in die Haare zu schmieren... jetzt seh‘ ich auf dem Foto bestimmt nicht gut aus ... gleich hab ich‘s geschafft ... drei ... zwei ... zweieinhalb ... eins:


Ganz lässig rennt der Halbmarathon-Mann dem Tod dem Ziel entgegen. Rechts: Nor-Man.
Ich hab‘s geschafft! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Ach - tut das weh! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Ich hab's geschafft! Geil! Bin ich ein geiler Typ! Geil! Geil! Geil! Einen ganzen Halbmarathon! Geil! Geil! Geil! Geil! Ich spür meine Beine nicht mehr! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Krass! Geil! Da gibt's ne Medaille! Geil! Gib schon her! Geil! Geil, ne Medaille! Geil! Geil! Die Beine tun so weh! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Da in der Halle gibt‘s bestimmt was zu trinken und zu futtern. Geil! Geil! Geil, Apfelschorle! Geil! Geil! Geil! Bah, ist doch alkoholfreies Bier! Geil! Geil! Geil! Ich hab's geschafft! Geil! Da gibt's Bananen! Geil! Geil! Geil! Mir ist schlecht! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Da gibt's nen Zopf! Geil! Geil! Kacke, da sind ja Rosinen drin! Egal! Trotzdem Lecker! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil! Geil!
„Und Kafitz, wie fandest du's?“
Das Schwierigste, was ich je gemacht habe? Das Bescheuertste, was ich je gemacht habe? Ich bin fast gestorben?
„Ganz ehrlich: Ich hab's mir schwieriger vorgestellt.“
„Sollen wir nächstes Jahr den ganzen Marathon laufen?“
Auf keinen Fall!
„Klar.“
So ne scheiß Idee!


Edit 22. Juni 20120: Text überarbeitet. Fehler behoben und unnötige Passagen entfernt, Schriftart geändert.

Mittwoch, 18. April 2012

Ein Unfall (I)

[Erklärung, um unnötige Missverständnisse zu vermeiden: Autor und Erzähler gehen bei diesem Text getrennte Wege. Ich hatte also keinen Motorradunfall, aber dafür jemand, den ich gut kenne.]

Nach einer wahren Begebenheit...

Oh, wie schön hier ... so friedlich ... das ist so beruhigend ... einfach nur in den Himmel schauen ... das Blau auf sich wirken lassen ... echt angenehm ... oh! zwei Vögel ... hach! die spielen bestimmt fangen miteinander ... so als Vogel ist das bestimmt spaßig ... wie witzig ... Vorsicht! da kommt ... da kommt ... da kam ein Hubschrauber! ... zu spät ... mitten in die Rotorblätter geflogen ... den Fehler machen die nicht nochmal ... was macht der Hubschrauber hier ... sieht aus, als will der hier landen ... wo bin ich eigentlich? ... – ich liege bequem ... auf Asphalt?  ... oh! ne Motorhaube! ... Opel Corsa B in türkis ... igitt ... was macht der hier? ... lieg ich bei uns in der Einfahrt? ... aber wem gehört dann das Auto? ... Sandra? ... Bitte nicht ... da hab ich grad gar kein Bock drauf ... jetzt tut sie wieder so, als hätte sie noch was bei mir vergessen ... irgendeine Scheiße fällt der doch immer ein ... aber warum lieg ich bei uns in der Einfahrt? ... und wenn ich bei uns in der Einfahrt liege, wo ist dann unser Haus? ... da ist noch ein VW Polo ... nur ne 1,4 Litermaschine ... wie langweilig ... aber was macht der hier? da müsste unser Haus stehen  ... was wollen die ganzen Leute? 

„Er macht die Augen auf!“ – Klar mache ich die Augen auf ... wenn ich sie zulasse, kann ich ja nichts sehen ... Depp, ey ... warum schauen die mich so an? ... noch nie einen schlafenden Typen gesehen oder was! ... – Nein, das ist nicht unsere Einfahrt ... sieht aus wie ne Straße ... ne große Straße ... die Autobahn! ... auf der Autobahn? ... schon strange ... warum bin ich hier? ... ––  „Wo ist mein Beifahrer? Wo ist mein Beifahrer?“ – ... War das nicht Maik? ... der Typ, der mich auf Kawasaki ZXR 750 mitgenommen hat ... den ich vor zwei Tagen auf der Party von Hankyboy kennengelernt hatte ... der jedes Wochenende nach Mühlheim fährt ... da wohnt doch auch Susanne ... dachte noch, wie praktisch das wär ... ‚Kann ich mitfahren?‘ – ‚Kein Problem.‘ - ... ging klar ...Autostau ... 100 Sachen ... sauber! ... hätte ich meinen Führerschein noch, würde ich auch so fahren ... ein bisschen schnell war‘s vielleicht doch ... irgendwas ging schief ... ein Auto zog raus ... ich denk noch ‚fuck! nicht schon wieder‘ ...  – das war doch ein hässliches Auto ... Fiat Multipla ... grün mit Blumenstickern drauf ... hässliches Auto ... richtig hässlich! ... sollte man verbieten ... im Sinne der Augenkrebsvorsorge ... wenn ich keine Alpträume von dem Unfall bekomme, von dem Auto mit Sicherheit.
„Wo ist mein Beifahrer? Wo ist mein Beifahrer?“ – Ich glaube, Maik macht sich Sorgen ... und ich lieg hier total gechillt ... ziemlich assig ... na gut ... ich muss mal aufstehen ... aaah! ... mein Rücken ... fuck! tut das weh! ... „Maik! Ich bin hier. Mir geht’s gut. Chill dich!“ – der Helikopter ist gelandet ... die kommen da mit ner Trage angelaufen ... cool! wollte schon immer mal mit dem Hubschrauber fliegen ... mir wird schlecht ... schnell hinlegen! ... Maik hat mich gesehen ... das muss reichen ... schnell hinlegen ... schwindelig ...  besser ... – ... krass ... bin noch nie mit dem Hubschrauber geflogen ... geil! hab da jetzt voll Bock drauf ... ich flieg gleich mit dem Hubschrauber, ich flieg gleich mit dem Hubschrauber und ihr nicht! Nenenenenene! ... und ich bekomm alles mit! ... bin zum Glück nicht bewusstlos wie Papa nach seinem Unfall ... – hey Jungs! ich bin hier! ... ok, die packen mich wohl erst als Zweiten ein ... Maik scheints wohl übler erwischt zu haben ... so, jetzt bin ich aber dran ... – fliegen die wieder los? ... Hey nein! ich lieg doch noch hier! Ihr könnt nicht einfach wegfliegen! ... scheiße ... was soll das? ... warum darf ich denn nicht mitfliegen? ... Ist es, weil ich nicht privatversichert bin? ... Ihr Schweine! ... Sterbe ich jetzt, weil ich in der falschen Versicherung war? ... Willkommen in der Zweiklassengesellschaft! ... so tief ist Deutschland gesunken ... ich wollte auch mit dem Helikopter fliegen ... menno! ... kein Wunder, dass der soziale Unfrieden zunimmt ... werd da nächsten Montag mitdemonstrieren ... Hartz IV muss weg! Hartz IV muss weg! ... private Krankenversicherung für alle! 

„Sie haben drei Wirbel gebrochen. Wenn Sie keinen Buckel im Alter möchten, müssen sie ab sofort regelmäßiges Training einlegen.“ – Scheiße! ... regelmäßiges Training ... hab ich ja gar keine Lust zu ... was hast du eigentlich für einen Pornobalken im Gesicht? ... siehst  aus wie Ned Flanders ...
„Dazu haben sie einige Quetschungen und Prellungen erlitten...“ – Erzähl mir was Neues! Das ist doch normal nach so nem Unfall ... und dazu diese Brille ... echt wie Ned Flanders ... das ist echt heftig ...
„Eine kleine Gehirnblutung, aber da sollten wir uns keine großen Sorgen machen.“ – Cool. „Kann ich das schriftlich haben?“ – „Ich bin Arzt, kein Hellseher. Wir werden die Sache weiterhin beobachten, aber nach dem jetzigen Standpunkt aus, sieht es nicht besorgniserregend aus.“ – „Nein, nein, das meinte ich nicht. Eine Gehirnblutung setzt doch voraus, dass ich ein Gehirn habe. Meine Brüder haben das manchmal angezweifelt und da wär‘s doch schön, wenn ich die Existenz meines Hirns schriftlich nachweisen könnte.“ – „Vielleicht sollten wir die Blutung doch ernster nehmen wie bisher.“ – ... Penner ... – „Ihr Bruder müsste demnächst hier eintreffen. Ich werde später nochmal nach Ihnen schauen.“ – Ja, geh nur, Ned Flanders! Lass mich alleine ... – drei Wirbel? ... hört sich mies an ... richtig mies ... was hat er noch gesagt? ... „keine bleibende Schäden.“ – hat er ‚keiner‘ gesagt? ... oder bilde ich mir das nur ein? – scheiße! ... was hat er noch einmal gesagt? ... hey! komm zurück! Ned Flanders! ... mist ... der hat ‚keiner‘ gesagt! ich bin mir sicher! ... bin ich nicht ... obwohl: da war doch noch ein ‚aber‘ vor dem ‚bleibende Schäden‘ ... davor hat er mir gesagt, dass ich mir drei Wirbeln gebrochen habe ... das ist schlecht ... dann hat er aber ‚aber‘ gesagt ... und nach etwas schlechtem und ‚aber‘ kommt eigentlich nichts Schlechtes ... also was Gutes ... er hat also ‚keiner‘ gesagt: ‚keine bleibende Schäden.‘ ... das ergibt Sinn ... cool ... alles easy ... tief durchatmen ...

– Er meinte noch, dass ich die nächsten drei Monate was anziehen solle ... ein Korsett? Hat er Korsett gesagt? Das ist doch eigentlich was für Frauen ... Warum soll ich ein Korsett anziehen? ... was soll Susanne nur wieder denken ... warum passiert mir immer so ne Scheiße! Dieses Mal hab ich doch echt nichts falsch gemacht. Ich bin nur bei jemandem hinten mitgefahren, um Susanne zu besuchen. Das war total vernünftig. Für mich jedenfalls. Und was kommt bei raus? ... sich selbst rhetorische Fragen zu stellen ist irgendwie unnötig ... oh! es klopft ...
Herein!

Fortsetzung folgt...

Dienstag, 17. April 2012

Ein Unfall (II)



– Ach endlich! Meine Klamotten, mein Handy, was zu futtern, was zu lesen ...
„Hey, Kleiner!“ – „Hey, Dicker!“ – „Wie bitte? Du bist ja wohl deutlich fetter!“ – „Gar nicht.“ – „Ich passe wenigstens in meine Anzugshose, du nicht.“ – „Dafür kann ich gehen.“ ... Penner! Das bekommt er wieder ... und wenn ich ein halbes Jahr drauf warten muss. Und dann werden wir sehen, wer schneller laufen kann...
„Ich hab hier deine Klamotten. Zwei Jogginghosen, vier T-Shirts, ein Pulli.“ – „Und die Unterwäsche?“ – „Ähem...“ – „Ist jetzt nicht ganz unwichtig, mein Freund. – Was ist denn das?“ – „Das ist ein altes Handy. Deins ist doch kaputt gegangen.“ – Das nennt er Handy? Ist doch viel zu klein. „Wie funktioniert hier denn der Touchscreen?“ – „ Es gibt keinen Touchscreen.“ – „Wie stelle ich denn den schwarz-weiß-Modus der Kamera aus?“ –„Das Handy hat kein Farbdisplay. Und keine Kamera.“ – „Internet?“ – „Du kannst telefonieren und SMS schreiben.“ – Willkommen in der Steinzeit! Jetzt geht mir der Unfall wirklich auf den Sack...

„Hab vorhin mit unserem Studenten telefonieren. Er wollte wissen, was du hast. Musste ihm sagen, dass ich keine Ahnung hätte. Ich habe nur Anweisungen befolgt. ‚Micha hatte einen Unfall? Check. Lebt er noch? Check. Welches Krankenhaus? Check. Was soll ich mitbringen? Check. Bin gleich da.‘ Ich finde, das war ein sehr routinierter Umgang. Von der Unterwäsche mal agbesehen. Also, was hast du eigentlich?“ – „Unter anderem drei gebrochene Wirbel.“ – „Ist das schlimm?“ – „Gut ist es nicht.“ – „Schlimmer als der Beckenbruch beim letzten Mal?“ – „Wird sich zeigen.“ – „Bekommst du wieder einen Katheder?“ – „Vorher sterbe ich.“ – „Bei deinem Lebensstil klingt ein klares ‚Nein‘ anders.“ – „Wie klingt ‚Vorher opfere ich meinen kleinen Bruder‘ für dich?“ – „Für jemanden, der grade ans Bett gefesselt ist, ziemlich witzig." - Komm mal näher, dann zeig ich dir noch was witziges...

"Willst du eigentlich, dass Mama und Chef sofort vorbeikommen? Die besuchen grade unseren Studenten zu seinem Geburtstag. Und nachdem beim letzten Unfall schon die Aufstiegsfeier ausgefallen ist, wollte ich nicht gleich wegen ner Lapalie noch sein Geburtstagsessen versauen. Er wird doch von Mama und Chef eingeladen. Und sonst bekommt er doch nur Mensa. Der arme Jung. Oder er kocht selbst. Aber so wie der kocht, geht er lieber in die Mensa.“„Das war aber nicht mein Unfall, als die Aufstiegsfeier ausgefallen ist. Der war vom Chef. Das war aber nicht der letzte. Danach kam noch einer von mir.“ – „Der mit dem Beckenbruch auf der Rennstrecke?“ – „Ja.“ – „Sorry ... bei den ganzen Unfällen verlier ich irgendwann die Übersicht.“ – „Ach komm! Bis jetzt haben wir nur in jedem Jahr einen heftigen Unfall. – Du kannst doch nicht einfach meinen Beckenbruch vergessen!“ – „Ich habe ihn ja nicht vergessen, nur verwechselt. – Und wann war nochmal diese fiese Sache mit dem Katheder? War das bei der ausgekugelten Schulter oder bei dem Kreuzbandriss?“ – „Nein, nein, das war auch beim Beckenbruch. Die anderen beiden sind doch schon viel zu lang her. Aber das mit dem Katheder war wirklich fies. Das darfst du eigentlich niemandem erzählen.“ – „Warum hast du es dann jedem erzählt, der nicht bei drei auf den Bäumen war? Ich hab heute noch Alpträume davon.“ – „Um deine Frage zu beantworten: Nein, Mama und Chef müssen ihren Wochenendtrip nicht absagen. Wir haben hier einen Fernseher auf dem Zimmer. Der reicht zur Unterhaltung.“

– Oh, es klopft. Hoffentlich ne hübsche Krankenschwester. – „Herein!“ - Doch nur mein großer Bruder. - „Hey, Großer!“ – „Hallo, Dicker!“ – „Selber dick.“ – „Jetzt vielleicht, aber als ich deinem Alter war – hohoho, da sah ich schon ziemlich geil aus. Aber jetzt als verheirateter Ehemann ist das Aussehen nicht mehr so wichtig. Jetzt kommt’s nur noch auf das Gehalt an.“ – Was ist denn ein unverheirateter Ehemann? ... manchmal könnt ich bei so einer unnützen Anwendung von unnötigen Adjektiven gepflegt kotzen ...

 – „Ich hab eben nur noch ‚Alpträume‘ aufgeschnappt. Hat der Dicke wieder die Story mit dem Katheder erzählt? Die war wirklich bitter.“"Ich bin nicht dick. Ich esse nur gern Frittiertes." ... jetzt erzählt mein großer Bruder meinem kleinen Bruder wieder alle Geschichten von früher, wo ich nur ein bisschen Scheiße gebaut habe ... er erwartet jetzt bestimmt auch, dass ich mitlache ... ok, einmal aus Höflichkeit, aber dann ist schluss ... nicht die Kathedergeschichte ... die wollte ich selbst erzählen ... menno ... der Kleine verabschiedet sich, weil er morgen früh arbeiten muss ... ts, das bisschen Ausbildung ...

Jetzt mit dem Großen alleine im Raum ... hört er denn nie auf zu reden? ... ich war dabei, als ich mir die Schulter ausgekugelt habe, das brauchst du mir nicht zu erzählen ... außerdem war ich das gar nicht Schuld, weil mich so ein Vollhorst die Treppe runtergeschmissen hat ... jaja, ich hab mir beim Fahrradfahren ein Kreuzband gerissen ... wie witzig! ... ich wollte Tricks machen, verdammt! ich bin nicht nur einfach ‚gefahren‘ ... das hätte jedem passieren können ... ach, der Bandscheibenvorfall ... den hätte ich tatsächlich fast vergessen ... nicht schon wieder die Kathedergeschichte! ... die hast du grade schon erzählt! ... – können Ohren wirklich bluten, wenn sie überfordert sind? ... meine bluten nicht ... dann kann an dem Gerücht wohl nichts dran sein ... sie sind nämlich wirklich überfordert ... 
„... und dann hat der Kleine mich angerufen und mir gesagt, dass Du wieder einen Unfall hattest und im Krankenhaus liegst. Ich dacht nur, ‚schon wieder?‘ Vielleicht solltest Du in Zukunft einfach öfter Bahn fahren. So ein ICE kann auch ganz schön fix sein.“ – „Hör mir auf mit dem ICE. Da könnt ich nur ausrasten. Schlimmer als die Bahn selbst, finde ich die Leute, die mit der Bahn mitfahren. Der Zug ist noch nicht aus dem Bahnhof rausgefahren, und schon holen alle ihre iPads und iPhones raus und legen sie demonstrativ auf den Tisch. Manchmal habe ich den Eindruck, mancher iPhone-Besitzer wartet nur darauf, ein Publikum wie die anderen Fahrgäste zu haben, damit er einen anderen iPhone-Besitzer anrufen kann, um mit ihm darüber zu sprechen, wie toll doch das iPhone ist. Am liebsten machen sie das in dem Ruheabteil, in dem telefonieren untersagt ist. – ‚Da ist ja nur ein Handy abgebildet und ich hab schließlich kein Handy, ich hab ein iPhone. Das ist ganz was anderes.‘ – Da könnt ich ausrasten.

Das ist wie mit Mercedesfahrern auf der Autobahn oder mit Bayern-München-Fans – tuen alles Mögliche, um gehasst zu werden und wundern sich dann, wenn die Saat aufgeht.  Ich will nicht wissen, welche verkackten Apps es alles gibt, ich will nicht wissen, was dieses tolle Übersmartphone alles kann, so lange es nur das kann, was andere Smartphones auch können, aber dabei gefühlte dreihundert Euro mehr kostet und ich will nicht wissen, wie teuer der monatliche Displayaustausch ist. Jeder zwölfjährige Tokio Hotel-Fan geht mir weniger auf den Keks als ein normaler Konsument von Appleprodukten. Bei ersteren gibt es wenig die Hoffnung, dass sie irgendwann weniger scheiße werden, wenn endlich die Pubertät einsetzt. Mit dem Kauf eines iPhones scheint mir hingegen der Verstand auf immerdar verloren. Kein Wunder, dass die einmal Angefixten dann auch das sinnloseste Gerät der Welt kaufen: Das iPad.
Es heißt ja, dass Konvertiten einer Religion meistens die radikalsten unter den Gläubigen sind. Bei Katholiken und Protestanten sehr beruhigend, da die Zahl der Konvertiten dort negativ ist; bei den Muslimen beruhigend, weil bei über vier Millionen Mitgliedern die wenigen Konvertiten nicht viel ausmachen. Die Applesekte besteht nur aus Konvertiten! In den 90ern wollte keiner das Zeugs haben, heute jeder. Es ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis eine offizielle Kirche gegründet wird. Anders kann ich mir nicht erklären, warum so viele Menschen ihre Appleprodukte wie lebende Wesen betrachten. – ‚Oh nein, wir wollen keine Haustiere, wir haben schon ein iPod.‘ – ‚Ursprünglich wollten wir ja auch Kinder, aber wir haben uns dann einen iMac gekauft.‘ – ‚Wer braucht schon Freunde, wenn er ein iPhone hat.‘ – ‚Früher war ich sexsüchtig, schaute jeden Tag Pornos und verbrauchte Unmengen an Taschentüchern. Heute habe ich ein iPad, das kann ich mit ins Bad nehmen. Jetzt verbrauche ich nur noch Toilettenpapier.‘ – Ich kann‘s nicht mehr hören. Benutzt euer kack Smartphone doch, nur tut nicht immer so, als seid ihr etwas Besonderes, wenn ihr das gleiche Mobiltelefon wie über 180 Millionen andere Menschen benutzt, von denen gefühlte 30 Millionen in Deutschland wohnen. – Sorry, Bruderherz, aber das musste jetzt einfach mal raus.“ 

– „Also ich bin mit meinem iPhone sehr zufrieden. Ich hab gehört, dein Handy ist bei dem Unfall kaputt gegangen. Das wäre die Gelegenheit, ein iPhone zu kaufen!“ – Vorher friert die Hölle ein. – „Schau mal: Ich habe jetzt sogar eine Schnitzel-App. Die zeigt mir an, in welchen Lokalen ich ein Schnitzel bekomme und in welchen nicht. Bin ja letztens mit deinem anderen großen Bruder essen gewesen und da hat er mich unter dem Vorwand, dass es da Schnitzel gäbe, in ein Restaurant gelockt, wo es tatsächlich gar keine Schnitzel gab. Diese Studenten wissen einfach nicht, was wichtig im Leben ist. Das passiert mir nicht nochmal, jetzt bin ich gerüstet. Willst du mal gucken? Nein? Guck trotzdem! Und achte dabei mal drauf, wie einfach sich so ein iPhone bedienen lässt. Praktisch, nicht wahr? Und dann dieses Touchpad!  Mit zwei Fingern kannst du scrollen. Genau, gut machst du das, fast ohne Erklärung. Sorry, ich kann dich leider nicht deine E-Mails abrufen lassen. Der Akku ist bald leer und ich brauch den noch. Der Akku ist übrigens auch ein richtig gutes Argument für das iPhone. In der Regel muss man es nur zweimal am Tag aufladen, wenn man es sparsam verwendet. Toll, oder? Ich muss jetzt aber mal los, ich hab Hunger und brauch noch mein Gute-Nacht-Schnitzel. Ciao.“

Fortsetzung folgt...

Freitag, 6. April 2012

Callboys in Freiburg

Aufgrund eines Artikels auf Spiegel Online, der die Verhältnisse von männlichen Möchtegern-Callboys in Mannheim beschreibt, kam die berechtigte Frage auf, wie sich die Situation hier in Freiburg darstellt, wodurch ich mich genötigt fühlte, in der Freiburger Callboyszene zu recherchieren, um dann hier berichten zu können.
Das Interesse an Callboys in Freiburg ist seit Menschengedenken sehr groß, d.h. seit der Gründung der PH. Frauen, die in Karlsruhe dankbare Abnehmer für ihren Körper gefunden hätten, fristen in Freiburg ein freudloses Dasein, denn schließlich herrscht ihr ein deutlicher Frauenüberschuss. Abhilfe schaffen hier erst seit wenigen Monaten eine Gruppe männlicher Studenten und eine Dienstleistungsagentur.